Die „Musik auf Langeoog“ steht einmal mehr vor einer großen Herausforderung. Die Ziele der Stiftung gleichen Namens stehen auf der Musikinsel außer Frage, sie erfreuen sich breiter Unterstützung und die Stiftung ist hier erfolgreich. Doch zum zweiten Mal wirkt sich eine weltweite Krise ganz lokal auf der Insel mit schweren Folgen aus.
Etwa 30.000 Euro fehlen in diesem Jahr im Etat, aus dem die Kantorenstelle finanziert wird, da bedingt durch die Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie keine Konzerte stattfinden können, deren Einnahmen fest eingeplant waren. Ohne die vorangegangene Finanzkrise und die nachfolgende Niedrigzinspolitik wäre das eigentlich kein Problem gewesen. So ist man jetzt auf Spenden angewiesen, um die Kirchenmusik zu sichern.
Gegründet wurde die Stiftung „Musik auf Langeoog“ am 1. Januar 2003. Die Landeskirche hatte die im August 2001 durch den Weggang von Andreas Groll frei gewordene Kantorenstelle der Inselkirche nicht neu besetzt. Die Kirche musste sparen und die Inselkirchengemeinde hat für eine reguläre Kirchenmusikerstelle zu wenig Mitglieder.
Der Kirchenvorstand hatte sich zur Finanzierung für das Modell der Stiftung entschieden, weil dort nur der Ertrag aus der Anlage des Stiftungskapitals für den Stiftungszweck verwendet wird. Das Stiftungskapital sollte unangetastet bleiben, die Finanzierung der Kantorenstelle wäre also nachhaltig sicher gewesen. Mit dem Namen der Stiftung "Musik auf Langeoog" machte man deutlich, dass die Musik in der Inselkirche und von der Inselkirche aus für die ganze Insel von Bedeutung war und ist.
Zur feierlichen Gründung fand in der evangelischen Inselkirche ein Neujahrskonzert mit dem Hannoverschen Barockensemble statt. Die "Waldemar-Koch-Stiftung" in Bremen hatte dieses Konzert finanziell unterstützt. Die Kirche war trotz des Eisregens, der am Nachmittag eingesetzt hatte, bis in die letzte Reihe gefüllt und in den Folgejahren sollte auch die Stiftung ein Erfolg werden.
Die Ziele waren ehrgeizig, ein hauptamtlicher Kirchenmusiker sollte aus den Erträgen des Stiftungskapitals finanziert werden. Man ging bei den damaligen Zinsen von 500.000 EUR Kapital aus, die dafür erforderlich seien. Die Landeskirche legte den Grundstock von 114.000 EUR, und kündigte für je 3 EUR Spende in den ersten drei Monaten an, 1 EUR zuzulegen.
Der Langeooger Gospelchor und das Bläserensemble „Ocean Brass“ (später "Lütt und Groot") wurden 2006 gegründet, von der Stiftung gefördert und gaben Konzerte zu Gunsten der Stiftung.
Die Resonanz in den kommenden Jahren war so stark, dass die Landeskirche ab 2009 eine auf fünf Jahre befristete Kantorenstelle zur Verfügung stellte. In dieser Zeit sollte es gelingen, auf eigenen Beinen zu stehen. Inzwischen war das Kapital auf 450.000 Euro angewachsen.
Der Hamburger Jan Rohloff und die Ungarin Noémi Györi konnten als Kirchenmusiker für Langeoog gewonnen werden, sie zogen von Herford auf die Insel. „Es war wie ein großes Märchen“ stellte beide in einem Interview zu Start der Zeit auf Langeoog fest. Jan Rohloff übernahm neben der Arbeit in der Kirche die Leitung des Langeoog-Chor de Likedeeler, Noemi, inzwischen Rohloff, übernahm wenig später die Bläser nach dem Weggang von Günter Ludwig.
Nach der Trennung des Paares verließ Jan Rohloff die Insel, Noemi Rohloff blieb mit ihren Kindern auch nach Ablauf der fünf Jahre. Die Kirche bot ihr 2014 eine halbe Kantorenstelle an. Zwar war das Kapital der Stiftung inzwischen auf 650.000 Euro angewachsen, aber nach der Lehmann-Pleite und der Euro-Krise wurde die Weltwirtschaft mit einer Niedrigzinspolitik gerettet. Die Langeooger Stiftung teilte nun das Schicksal vieler Stiftungen, sie hatte fast keine Erträge.
Nach dem Wechsel von Inselpastor Torsten Both und seiner Frau Katja nach Osnabrück übernahm Noemi Rohloff den Gospelchor, der seine Konzertaktivitäten ausweitete und mit sieben Konzerten fast 20.000 Euro jährlich für die Stiftung einsang.
Der Kirchenvorstand, dessen Vorsitz dann Inselpastor Christian Neumann übernommen hatte, entschloss sich zu einem Kurswechsel. Da weiterhin keine Erträge aus der Stiftung absehbar waren und das Kapital satzungsgemäß auch nicht anders angelegt oder gar angegriffen werden durfte, wurden alle Einnahmen der Konzerte für die Stiftung jetzt direkt zur Finanzierung der Kantorenstelle eingesetzt. Die Krise war vorerst überwunden, es gelang sogar die Stelle 2018 auf „Dreiviertel“ zu erweitern.
Nicht nur die Musik in Gottesdiensten, Trauerfeiern, Hochzeiten und Taufen zählten zu den Aufgaben der Kantorin. Noemi Rohloff leitete auch die Spontanchorproben, den Gospelchor und die Bläser, die jetzt „lütt&Groot“ heißen, bietet OrgelMomente an und koordiniert die Inselkirchenkonzerte. Auch die Kindertagesstätte Wichtelnüst und die Inselschule profitierten indirekt von der Kantorenstelle.
Wenn zum bunten Inselabend zu Gunsten der Stiftung eingeladen wurde, dann standen regelmäßig knapp 8% (!) aller Langeoogerinnen und Langeooger auf der Bühne und zeigten, dass die kleine Insel eine große Vielfalt bieten kann.
Durch Corona gab es lange Zeit weder Proben noch Konzerte, die aktiven Sängerinnen und Sänger der Insel fieberten dem Neustart entgegen, um endlich das kulturelle Angebot Langeoogs wieder zu beleben, um die Finanzierung der Kantorenstelle zu sichern und nicht zuletzt, um für das eigene Wohlbefinden etwas zu tun. Denn Chormusik, das wissen auf Langeoog sehr viele Menschen, ist viel mehr als nur singen.
Auch der Shantychor de Flinthörners, die Likedeeler, die Washhouse Company, Katja Agena und das Dünensingen sind hier vernetzt und engagieren sich für die Stiftung.
Nach dem Weggang von Noemi Rohloff im Sommer 2022 übernahm im Februar 2023 die neue Kantorin Olga Persits die musikalische Leitung der gesamten Kirchenmusik.
Für die Zukunft ist die Inselkirche zuversichtlich, dass es gelingt, die Kantorenstelle fortführen zu können, aktuell benötigt sie jedoch dringend die Unterstützung von Musikfreunden auf der Insel und aus dem Kreis der Gäste, um die schwierige Situation, die sie mit vielen Kulturschaffenden teilt, stemmen zu können
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